5S – Der Weg zu exzellenter Leistungsfähigkeit
Geposted von PASI JULKUNEN am

Einführung
Heutige Fertigungsunternehmen agieren in einem zyklischen Markt, in dem die Anforderungen der Kunden stetig steigen und sich die Produktvarianten laufend verändern. Erfolgreiche Unternehmen begegnen diesen Herausforderungen auf zwei Arten: durch innovative Produktentwicklung und durch höchste Flexibilität in der Produktion.
Weltklasse-Produktion basiert auf drei Grundpfeilern – Total Quality Management (TQM), Lean Production und Total Productive Maintenance (TPM). Das Fundament, auf dem alle drei aufbauen, ist jedoch die 5S-Methode.
Die 5S-Methode entstand in den 1960er-Jahren in Japan, doch ich konnte bei Tamrock und später bei Sandvik feststellen, dass ihre Wirksamkeit kulturunabhängig ist – und dass sie den Test der Zeit überstanden hat. In der heutigen komplexen Welt ist sie aktueller denn je. Basierend auf unseren praktischen Erfahrungen konnten wir durch die konsequente Umsetzung der fünf Prinzipien Seiri, Seiton, Seiso, Seiketsu und Shitsuke die Durchlaufzeiten von Wochen auf Tage reduzieren und zweistellige Prozentzahlen an Kosten einsparen. Der damalige Verband MET (heute Teknologiateollisuus ry) beauftragte uns mit der Erstellung eines 5S-Taschenbuchs. Wir gehörten damit zu den ersten Anwendern der Methode in Finnland. Die 5S-Methode wurde zu einem zentralen Instrument sowohl in der Lieferantenentwicklung als auch als Rückgrat der eigenen Produktion – das Fundament unseres praktischen Kaizen-Programms. Diese Arbeit setzen wir bis heute fort, nun angepasst an die Anforderungen moderner Fertigung und Digitalisierung.
Ziel dieses Blogbeitrags ist es zu zeigen, dass 5S die Grundlage für jegliche Weiterentwicklung darstellt – auf dieser Basis bauen Systeme zur Effizienzsteigerung auf, wie Lean Production, das Gemba-Haus, TPM, Qualitätsverbesserungsprozesse, Standardisierung, Kaizen-Aktivitäten und vieles mehr.
Leider wird 5S in vielen Unternehmen auf eine „Sauberkeitskampagne“ reduziert. Doch ein glänzender Boden allein verkürzt keine Rüstzeiten und verhindert keine Fehler – wenn keine konsequente Standardisierung und tägliche Nachverfolgung dahintersteht. 5S ist der Ausgangspunkt für Effizienz und kontinuierliche Verbesserung – keine Light-Version von Lean. Wer die Logik von 5S versteht, dem öffnen sich Wege zu Lean-Systemen, Gemba-Management, TPM-Prozessen, Qualitätsoffensiven und strategischer Kostenkontrolle.
Vorteile und Auswirkungen von 5S
Keine überflüssigen oder unnötigen Gegenstände am Arbeitsplatz, Ein tadellos sauberer Arbeitsbereich, Verschwendung und Abweichungen sind sofort für jeden erkennbar,
Papierarbeit ist minimiert und vereinfacht, Arbeitsplätze sind so organisiert, dass jeder leicht an benötigte Werkzeuge gelangt. Schranktüren werden entfernt, Inhalte werden offengelegt, sortiert und gekennzeichnet. Jeder kann Informationen oder Geräte in 30 Sekunden oder weniger finden. Teile und Materialien werden so gelagert, dass bei Erreichen eines Schwellenwerts automatisch nachbestellt wird (Kanban).
Standardarbeitsweisen sind klar und visuell verständlich.
Materialfluss und Abweichungen vom Standard sind auf einen Blick erkennbar.
Diese Ergebnisse sind keine bloße Theorie oder Marketingzahlen – sie basieren auf realen Erfahrungen in zahlreichen finnischen Industrieunternehmen, die 5S und Kaizen systematisch eingeführt haben. Die Qualitätsverbesserung betrug dabei bis zu 90 %, die Produktivität stieg um 15–20 %, und der Bestand an halbfertigen Produkten konnte um 50–80 % reduziert werden. Auch das Arbeitsumfeld verbesserte sich: Fehlzeiten gingen zurück und die Arbeitsmoral stieg deutlich.
Besonders diese beiden letztgenannten Wirkungen zeigen sich, wenn bei der Weiterentwicklung auch der menschliche Aspekt des Kaizen berücksichtigt wird – wie ich in meinen Blogbeiträgen „Die tiefste Essenz von Kaizen ist der Respekt vor dem Menschen“ und „ZEN und die Kunst des Verstehens – Kaizen-Schritte 5–10“ näher erläutere. Dort wird erklärt, dass eine mitfühlende und einbeziehende Kultur kein Nebenschauplatz ist – sondern ein wesentlicher Erfolgsfaktor für 5S und Kaizen.
5S in der Kleinserienfertigung und bei langlebigen Produkten
In der Produktion langlebiger Nischenprodukte – wie etwa Spezialmaschinen – ändern sich Layouts selten. Dennoch wird die Produktivität kontinuierlich durch verbesserte Arbeitsmethoden gesteigert. Diese Änderungen führen zu neuen Standards und erfordern eine regelmäßige Aktualisierung der 5S-Aktivitäten.
Typischerweise entstehen auch Änderungen durch den Wechsel von Komponentenlieferanten oder durch Ersatzteile in neuer Ausführung. Diese Änderungen betreffen direkt die Montagearbeit und erfordern eine strukturierte 5S-Anwendung, um Fehler zu vermeiden.
Darüber hinaus kann die Verantwortung für die Ersatzteilversorgung bis zu 20 Jahre nach der Auslieferung reichen. Dies erfordert eine dauerhaft geordnete Arbeitsumgebung, Nachverfolgbarkeit und Einsatzbereitschaft – Voraussetzungen, ohne die ein langfristiger Produktsupport nicht realisierbar ist.
5S-Implementierung – ein geplanter Prozess
Die Einführung von 5S erfordert einen klaren Plan. Abbildung 1 zeigt die einzelnen Umsetzungsschritte des 5S-Prozesses, einschließlich der Anfangsphase und der Implementierung visueller Steuerung als eigenständige Bestandteile.
Abbildung 1. 5S Phasen
Schritt 1 des Prozesses – Startphase
Im ersten Schritt des Prozesses, „Start“, wird der Projektbereich definiert, auf den sich die 5S-Maßnahmen beziehen, sowie eine Analyse des Ist-Zustands vor der Veränderung durchgeführt. Zusätzlich wird der Bereich fotografisch dokumentiert, um den Ausgangszustand später mit den erzielten Verbesserungen vergleichen zu können.
Eine bewährte Methode zur Implementierung von 5S in der Produktion ist die 10-Schritte-Methode (siehe Artikel „ZEN und die Kunst des Verstehens“).
Zu Schritt 1 gehören auch:
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die Bildung eines Implementierungsteams
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die Erstellung eines Einführungsplans
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ein Kommunikationsplan
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sowie ein Schulungsplan für 5S
Schritt 2: 1S Sortieren (Seiri)
„Trenne das Notwendige vom Überflüssigen – und entsorge den Rest“
Die SORTIEREN-Phase (Seiri) entspricht dem Grundprinzip der JIT-Philosophie:
Man braucht nur das, was unbedingt notwendig ist, in der Menge, die wirklich benötigt wird, und nur zu dem Zeitpunkt, an dem es gebraucht wird.
Sortieren bedeutet:
Alle Gegenstände, die für die aktuelle Produktions- oder Bürotätigkeit nicht erforderlich sind, werden aus dem Arbeitsbereich entfernt – egal ob es sich um den Shopfloor oder ein Büro handelt.
Diese Regel gilt für alle Produktionsumgebungen – ob Großserien- oder Einzelstückfertigung – überall dort, wo Menschen arbeiten.
Beim Sortieren bleibt nur das Wesentliche übrig. Gibt es Zweifel, ob ein Gegenstand behalten oder entfernt werden soll, dann wird er entfernt. Diese konsequente Haltung ist ein zentrales Prinzip der gesamten 5S-Methode.
Die „Rote-Karte“-Methode
Die „Rote-Karte“-Methode ist ein einfaches Werkzeug, um überflüssige Gegenstände in der Produktion zu identifizieren, ihre Notwendigkeit zu bewerten und geeignete Maßnahmen für ihre Weiterverwendung oder Entsorgung zu ermöglichen.
In der Praxis bedeutet das: Jeder Gegenstand, dessen Notwendigkeit überprüft werden soll, erhält eine rote Karte.
Abbildung 2 zeigt ein Beispiel für eine rote Karte mit verschiedenen Nutzungskategorien zur Bewertung und den entsprechenden Maßnahmen zur Lagerung oder Entsorgung.
Abbildug 2. Die „Rote-Karte“-Methode
Für eine effektive „Rote-Karte“-Kampagne
Um eine effektive Rote-Karte-Kampagne durchzuführen, ist es erforderlich, einen speziellen Sammelbereich für gekennzeichnete Gegenstände einzurichten.
Dieser Bereich wird in der Nähe des Produktionsbereichs eingerichtet, jedoch außerhalb des eigentlichen Arbeitsbereichs. Dort werden alle rot gekennzeichneten Gegenstände abgelegt, deren Notwendigkeit unklar ist.
Dieser Bereich wird als lokaler Sammelbereich für rot gekennzeichnete Gegenstände bezeichnet.
SCHRITTE DER ROTKARTENAKTION (LAPUTUSOPERAATIO)
1. Projektstart
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Bildung eines Laputus-Teams
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Organisation der erforderlichen Anschaffungen
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Festlegung des Zeitpunkts und der Ressourcen für die Laputus-Aktion
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Definition des Sammelbereichs für Gegenstände
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Plan für die Entsorgung nicht benötigter Gegenstände
2. Zieldefinition
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Identifikation der zu bewertenden Gegenstände
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Festlegung des physischen Bereichs, in dem die Laputus-Aktion durchgeführt wird
3. Festlegung der Laputus-Kriterien
(Ausgangspunkt: Produktionsziele des kommenden Monats)
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Verwendbarkeit des Gegenstands für die aktuelle Arbeit
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Nutzungshäufigkeit im Arbeitsprozess
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Erforderliche Menge für die Aufgabenerfüllung
Siehe Abbildung 2: verschiedene Bewertungskriterien
4. Erstellung der roten Karten
(Karten werden entsprechend den Anforderungen des Unternehmens gestaltet)
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Warengruppe / Kategorie
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Artikelbezeichnung
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Menge und Einheit
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Grund für die Markierung
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Datum der Markierung
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Datum des Transports in den Zwischenbereich
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Ausführende Person
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Empfohlene Maßnahme
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Endgültiger Lagerort
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Entscheidungsstatus
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Genehmigung
5. Anbringen der Karten an Gegenständen
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Alle fraglichen Gegenstände müssen gekennzeichnet werden
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Im Zweifelsfall: Karte immer anbringen
6. Bewertung der gekennzeichneten Gegenstände
(Verwendung der in Schritt 3 definierten Kriterien)
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Am Ort belassen
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Innerhalb des Bereichs an anderen Ort transportieren
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Außerhalb des Bereichs einlagern
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Im Sammelbereich zwischenlagern
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Entsorgen
7. Dokumentation der Ergebnisse
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Dokumentationsanforderungen variieren je nach Unternehmen, z. B.:
Bewegung, Materialeinsatz, Mengen, Geräte, Werkzeuge, Lager, Produkte -
Entwicklung eines eigenen Systems zur Erfassung und Rückverfolgung der Gegenstände
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Ziel: Kontinuierliche Verbesserung und Messung der erzielten Einsparungen
→ mithilfe der Rote-Karte-Kampagne
Abbildung 3. Ein Beisbiel
PHASE 3: 2S, „Einfach machen“, Seiton – „Ordne die verbleibenden Gegenstände an deinem Arbeitsplatz so, dass sie leicht zu finden sind.“
2S, „Einfach machen“ – wird nach der ersten Phase durchgeführt. Eine Trennung („Seiri“) sollte jedoch idealerweise zusammen mit der Vereinfachungsphase durchgeführt werden. Alle notwendigen Gegenstände werden am Arbeitsplatz so organisiert, dass alles für die Produktion benötigte Material bei Bedarf schnell auffindbar ist. Jeder Gegenstand hat seinen festgelegten Platz, siehe Abbildung 4. Sobald jedem Teil ein fester Ort, ein Name und eine Maximalmenge zugewiesen sind, wird unnötiges Suchen und Herumkramen überflüssig.
Abbildung 4
Die Durchführung der 2S-Phase führt sowohl zur Standardisierung der Produktionszelle als auch der Arbeitsmethoden – sie bildet somit die Grundlage jeglicher Standardisierung. Sobald das bestmögliche Layout feststeht, müssen auch die Lagerplätze so definiert sein, dass jede Person problemlos erkennen kann, welcher Artikel sich wo befindet und wie viel davon vorhanden sein muss. Die zentralen Fragen lauten: Was, Wo und Wieviel.
Durch eine Kennzeichnungsstrategie werden visuelle Hinweise genutzt, um Antworten auf diese Fragen zu geben. Die wichtigsten Kennzeichnungen umfassen dabei:
- Platzkennzeichnungen, die anzeigen, wo Artikel abgelegt werden sollen
- Artikelkennzeichnungen, die angeben, welche Artikel sich an welchem Platz befinden
- Mengenkennzeichnungen, die angeben, wie viel von einem Artikel an einem bestimmten Platz vorhanden sein muss
Visuelle Kennzeichnungen helfen beim Erkennen von: 1. Namen und Arbeitsbereichen, 2.
Lagerplätzen, 3. Geräte- bzw. Ersatzteillagerplätzen, 4. Standardarbeitsweisen und 5. Maschinenlayouts (siehe Bild 5).
PHASE 4: 3S – „Seiso“, „Reinigen“.
„Halte die Maschinen und die Arbeitsumgebung sauber und ordentlich.“
Ich habe einmal einen Reinigungskraft gefragt, wie sie ihren Job empfindet. Sie antwortete:
„Ich säubere nicht nur Orte, sondern trage auch zum Wohlbefinden der Menschen bei.“
Das war eine bemerkenswerte Erkenntnis — sie konnte den tieferen Sinn ihrer Arbeit sehen.
Genauso verhält es sich mit der 5S‑Methode. Es geht nicht nur darum, Plätze sauber und ordentlich zu halten, sondern auch um die ganzheitliche Instandhaltung von Maschinen und Anlagen. Dies wird als TPM (Total Productive Maintenance) bezeichnet – ein systematischer Ansatz zur Maximierung der Anlagenverfügbarkeit, Effizienz und Zuverlässigkeit durch Minimierung von Ausfällen, Störungen und Verschwendung. 5S bildet die Grundlage der TPM‑Aktivitäten.
Die Schritte der Reinigungsphase: Festlegen der Reinigungsziele, Bestimmen der Verantwortlichen für die Reinigung, Definition der Reinigungsmethoden, Beschaffung der notwendigen Werkzeuge und Durchführung der Reinigung.
Die Unterkategorien der 3S‑Reinigung ermöglichen einen effektiven und leistungsfähigen Arbeitsplatz:
1. Autonome Instandhaltung (Autonomous Maintenance)
Ein zentraler Bestandteil von TPM: Bedienende Personen übernehmen Verantwortung für die Grundinstandhaltung ihrer Maschine bzw. Arbeitsumgebung – Reinigung, Schmierung, Inspektion, kleinere Einstellungen und Früherkennung möglicher Fehler.
Ziele:
- Verbesserung des Maschinenzustands und der Betriebssicherheit
- Steigerung vom Verantwortungsgefühl der Mitarbeitenden
- Entlastung der Instandhaltungsexperten
- Prävention statt Reparatur
Vorteile:
- Bessere Arbeitssicherheit
- Verringerter Reparaturbedarf
- Einfachere Inspektionen
- Früherkennung kleiner Schäden
2. Geplante Instandhaltung (Planned Maintenance)
Wartungen und Reparaturen werden geplant und gesteuert durchgeführt – bevor Fehler auftreten.
Ziele:
- Vermeidung ungeplanter Ausfälle und Produktionsstopp
- Systematische und rechtzeitige Umsetzung der Instandhaltung
Drei Teilbereiche:
Präventive Wartung (Preventive Maintenance): zeit- oder nutzungsbasierte Maintenance, z. B. wöchentliche Schmierung oder Komponentenwechsel nach bestimmten Betriebsstunden
Zustandsorientierte Wartung (Condition-Based Maintenance): Wartung bei Erkennung erster Verschleiß- oder Fehleranzeichen (z. B. Vibrationsmessung für Lagerfehler)
Geplante korrektive Wartung (Scheduled Corrective Maintenance): Reparaturen werden nach Fehlererkennung geplant und koordiniert ausgeführt
Auswirkungen auf 5S:
- Höhere Vorhersagbarkeit und Einsatzfähigkeit der Anlagen
- Verbesserte Gesamtanlageneffektivität (OEE)
- Ermöglicht kontinuierliche Verbesserung ohne unerwartete Stillstände
3S – Seiso als dritte Säule der 5S-Methode
Wird die Reinigungsphase richtig umgesetzt, bleibt der Arbeitsplatz sauber und die Maschinen funktionsfähig – Stillstände werden abgesenkt.
Unterlassenes Reinigen und Organisieren kann zu sinkender Arbeitsmoral, geringerer Arbeitssicherheit und schlechterer Produktqualität führen.
Sauberkeit am Arbeitsplatz ist eine kollektive Verantwortung aller Mitarbeitenden.
Abbildung 6
In dem folgenden Artikel untersuche ich die Messung von Reinigung und Kontrolle, also wie gut die Maßnahmen der Phasen 1S–3S umgesetzt wurden. Dies betrifft die 4S-Säule „Standardisiere“, was bedeutet, dass die ersten drei Säulen kontinuierlich und nach einem etablierten Vorgehen durchgeführt werden (siehe Abbildung 6), und die 5S-Säule „Bewahre – Selbstdisziplin erhalten“, um ein hohes Niveau an Sauberkeit und Ordnung nachhaltig zu sichern.
Faustformel: Standardisierung bedeutet, Maßnahmen aus 5S täglich durchzuführen, Überwachung und Selbstdisziplin machen sie zur dauerhaften Gewohnheit und integralen Kultur, die wesentlich zur kontinuierlichen Verbesserung beiträgt. Ohne diese Disziplin bleiben die Erfolge der ersten vier Phasen oberflächlich und nicht nachhaltig.
Pentti Enlund
MexLink Oy